Der Sonntag begann friedlich

Der Sonntagmorgen begann friedlich. So, wie ein Sonntagmorgen beginnen sollte. Mit Vollkornpfannkuchen zum Frühstück und dann noch Rumgammeln auf dem Sofa, bequem in den Herbsttag starten. Außerdem haben wir uns gefreut, als die im Radio sagten, dass ja die Zeit umgestellt wurde. Eine Stunde mehr, yeah. Das war ganz lustig, genauso wie dieses witzige Video, das einer bei Facebook gepostet hatte. Heute kein Sport, heute ein Gemütlicher.

Dann haben wir seine Oma besucht in der Senioren Residenz. Redeten übers Älterwerden und ihre Augen-OP, über ihre Hoffnung darauf im nächsten Frühling auf dem Balkon sitzen und lesen zu können. Und über damals sprachen wir. Ihr erstes Date unterm Reiterdenkmal am Heumarkt und die Bomben und den Adolf im Radio, weil niemand einen Fernseher hatte. Sie mochte meine Frisur, die Zöpfe, es gab Kekse und Mineralwasser. Spazieren wollten wir gehen, im Waldstück hinter der Residenz, aber ihr Körper sagt seit ein paar Tagen, dass er keine Lust hat und ihr Rollator ist in Reparatur. Darum gingen wir alleine. Herbstblätter knisterten unter meinen Stiefeln, die frische Luft tat gut.

Da wo früher der EDEKA war, ist jetzt das MONGOLEI All-You-Can-Eat Restaurant. Das gefällt manchen Leuten nicht. Jemand hat das rote Leuchtschild mit Steinen beworfen. Da sind jetzt Löcher drin. Das Essen schmeckt gut, wir waren drin. Der Edeka hätte am Sonntag zugehabt. Die Türen der Mongolei stehen täglich offen.

Auf dem Rückweg rief mich Mama an, mit Angst in der Stimme: „Geh nicht da raus, es ist gefährlich!“ sagte sie. „Die Hooligans kämpfen gegen die Salafisten“. Auf dem Weg von der Arbeit hatte sie gesehen, wie ein paar aggressiver Nazis den Bahnfahrer bedrohten und beschimpften. Am Ebertplatz soll die Hölle los gewesen sein. Wir machten uns Sorgen um meine Schwester, die noch unterwegs war. Ich rief sie an, um sie zu warnen. Im Radio erfuhren wir dann alles. Zuhause die Bilder im TV und im Netz. Ein Pulk aggressiver Rechter wandert in meine Heimatstadt ein, direkt neben dem Spielplatz, auf dem ich meine Kindheit verbrachte. Vor dem Fitnessstudio – gegen dessen Besuch ich mich am Morgen entschieden hatte – warfen sie mit Steinen. Bei Facebook sprechen sie von einem bevorstehenden Bürgerkrieg. Der Sonntag begann friedlich, jetzt fühle ich mich, wie gelähmt. So viel Scheiße auf dieser kranken Welt…

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