Messer, Gabel, rechte Hand

Esther-Donkor_Ghana

In Deutschland hat uns Opa beigebracht, vernünftig mit Messer und Gabel zu essen. Und nutzt man den Löffel zur Suppe, ruht die freie Hand sichtbar auf dem Tisch. In Ghana essen wir mit der rechten Hand, oft mit der bloßen. Die Linke liegt locker auf dem Oberschenkel. Sie ist für die unreinen Dinge des Lebens bestimmt.

Das Leben spielt sich draußen ab. Auf den Straßen riecht es nach frisch frittierten Bofrot, dass mir das Wasser im Munde zusammen läuft. Ich habe Hunger. Im Champion Dishes probieren wir diesmal Banku mit Groundnutsoup und Tuna. Die Portion ist riesig. Der Maiskloß schmeckt säuerlich, ist schwer zu schlucken. Ich mag Fufu lieber.

Im Radio läuft ein Reggae-Sender und der Moderator erzählt, wie gut Marihuana wirkt und dass du davon nicht stirbst. You can smoke 8000 rolls before you die. Die Männer im Geschäft diskutieren lange und laut, als würden sie heftig streiten. Nach bestimmt anderthalb Stunden sind wir fertig. Der Verkäufer trägt etwas in sein Büchlein ein. Mit blauem Durchschlagpapier. Hier werden keine Computer benutzt. “Das ist gut. Der halbe Preis”. Mein Vater spricht auf Deutsch, sodass der Verkäufer es nicht versteht. Vorm Laden kaut ne Frau in grün-schwarz gestreiftem Kleid an einem Stück Zuckerrohr und spuckt den faserigen Rest einfach auf den Boden. Gegenüber ein kleiner Beautysalon. Davor flechtet ne Frau ner anderen die Haare. Ein Mädchen mit Baby auf dem Rücken trägt eine Badewanne auf dem Kopf. Das Baby heißt Ramadan.

„So ist Afrika. Die Armut. Die Leute leben davon“, sagt mein Vater.

Die Armut macht mir zu schaffen. Die Anmut überwältigt mich.

Eine Mutter reißt ihrem schreienden Kind die Hose herunter und gibt ihm einen Klaps auf den Hintern.
„Dabi!“ rufen die Männer. „Nein!“. Die Frau übergießt das Kind mit kaltem Wasser. Vater spricht mit ihr und erklärt später lachend, dass der Kleine sich in die Hosen gemacht hatte, aber nicht gewaschen werden wollte. „Ein Sturkopf!“ sage die Mutter.

Immer wieder sieht man Ziegen im Getümmel am Straßenrand zwischen Lottobuden, Cocoyamständen und Plantainbergen auf dem Boden, genauso wie Kleidung oder Schuhe oder Bofrot und anderes Gebäck in gläsernen Warmhalteboxen. Rote, gelbe, blaue Sonnenschirme von Vodafone oder airtel oder glo spenden den Verkäuferinnen und Verkäufern Schatten. Nur diejenigen, die mitten auf den Straßen verkaufen, sind Sonne und Regen und der Unberechenbarkeit des Straßenverkehrs schutzlos ausgeliefert. Aber sie schlängeln sich routiniert durch die engen Gässchen zwischen den Autos mit Bauchläden auf dem Kopf.

Taifa. Kristo Asafo Area um sechs Uhr morgens. Im Nachbarhaus wird ein morgendlicher Gottesdienst abgehalten. Eine Männerstimme predigt, Hände klatschen. Der Junge im Haus hat gestern seine DVDs zerkratzt und in die Tonne im Hof geworfen cause he dont want to get addicted. By nothing. Lieber läuft er den ganzen weg zu Fuß bis zur Marina Mall, um sich die Zeit zu vertreiben.

Ein Hahn kräht, oder es krähen mehrere. Mal nah, mal in der Ferne. Ein kurzer Regenschauer prasselt hernieder, ist so schnell wieder vorbei, wie er angefangen hat. Im Haus hört man Flipflops über die Fliesen schlurfen. Jemand kehrt den Boden im Hof, dazu zwitschern Vögel. Ein Handy klingelt. Türen knarren. Autos hupen auf den Straßen. Stimmen rufen. Die Nacht ist vorbei. Das Leben beginnt. Das Wasser in der Dusche weckt kalt. Endlich bin ich angekommen.

 

[soundcloud url=”https://api.soundcloud.com/tracks/44172532″ params=”color=ded2cb&auto_play=false&hide_related=false&show_comments=true&show_user=true&show_reposts=false” width=”100%” height=”166″ iframe=”true” /]

Diesen Post teilen

Weitere Posts