„Da schläft einer den Schlaf der Gerechten!“, sagt die Kassiererin im Drogeriemarkt zu der Frau vor mir in der Schlange. Sie hat ein schlafendes Baby in der Trage, ganz klein ist es noch und seine Mama sieht müde aus, das kann ich trotz Maske erkennen. Schatten unter den Augen und nicht viel übrig für den Spruch der Verkäuferin. Die Mama kauft drei Packungen Windeln, Größe 1. Wehmütig denke ich daran zurück, als mein Babymann diese kleinen Windelchen getragen hat und sie ihm trotzdem noch zu groß waren. Ewig würde es dauern bis er da raus wächst, dachte ich „damals“ – vor fünf Monaten. Mittlerweile trägt mein Sohn Windelgröße 3 und nach ersten Stillschwierigkeiten im Wochenbett fange ich mittlerweile an, ihm neben der Brust auch erste Lebensmittel zum Probieren anzubieten. Pürierte Avocado, Smoothie, Gurke, Banane, Apfel. Wir tasten und ganz langsam und chillig an die Beikost ran und bis jetzt scheint ihm auch alles zu schmecken, was er so mit seinem Mund erkundet. An die Brust will er danach aber trotzdem immer wieder und irgendwie macht mein Herz dann einen kleinen Freudenhüpfer, denn: sie werden ja so schnell groß. Erst jetzt als Mutter fühle ich diese Aussage so richtig.
Ich versuche meine Elternzeit also so gut es geht zu genießen, es läuft gut zwischen dem kleinen Mann und mir und seinem Papa, wir haben viel Freude. Nachts schläft er sogar recht gut. Zwar nicht in seinem eigenen Bett, sondern nach wie vor bei mir mit auf der Matratze, aber auch das ist okay für mich. Ich genieße es mit ihm zu kuscheln und auch die Kommentare der Verwandtschaft darüber, dass wir ihn nie mehr aus unserem Bett bekommen, prallen mittlerweile an mir ab.
Und trotzdem bin ich müde, liege nachts wach und kann nicht schlafen.
Tagsüber bin ich angespannt, stoße öfters mit dem Zeh gegen irgendwelche Kanten, ärgere mich darüber, dass ich die Deepak Chopra Meditationschallenge verpasse, weil ich in meinem Momalltag nicht dazu komme mal 20 Minuten durchzuatmen.
„Befreie dich von deinen Blockaden“
Wie soll ich mich verdammt nochmal davon befreien, wenn ich in meinen freien Minuten nur vor Netflix oder dem Handy hänge?
Die Eltern kommen unangekündigt zu Besuch, um den Kleinen zu sehen (jedes Wochenende ist seit der Geburt vollgepackt mit Besuch, weil natürlich alle scharf auf das Baby sind), mein Vater schwärmt mir vor, dass Derek und Jaquline jetzt ein Haus abbezahlen und er ja so stolz auf sie sei. Und dann kreisen meine Gedanken in der Nacht noch mehr, während das Baby neben mir friedlich schlummert.
Werden wir uns sowas jemals leisten können? Ein Haus? Wohl kaum! Reicht der Platz in unserer Wohnung aus? Werden wir es bei dem hohen Mietspiegel jemals schaffen, eine größere Wohnung zu finanzieren oder müssen wir die Stadt verlassen, um finanziell zu überleben?
Werde ich in der Lage sein mein Kind schon in einem Jahr in die Fremdbetreuung zu geben? Er ist doch noch so klein und dann wird er doch kaum größer sein?
Wie soll ich klarkommen mit den Finanzen? Werde ich jemals wieder genug Zeit haben zum Schreiben und Arbeiten? Ich liebe es so sehr Zeit mit meinem Baby zu verbringen, aber eines Tages ist das Geld ja alle und neues muss her. Was bringt die Zukunft? Haut alles hin oder verliere ich den Anschluss?
Grübel, grübel, grübel.
Auf einmal fühle ich eine kleine, weiche warme Hand, die sie mir auf die Brust legt, mich sanft streichelt, als wolle sie mir damit sagen: Mach dir keine Sorgen, Mama! Ist doch alles super und auch total kuschelig gerade.
Und ja, das stimmt. Hier und jetzt ist alles was wir haben. Die Vergangenheit ist vorbei. Mein Baby wird nie wieder Windelgröße 1 tragen. Die Zukunft ist ungewiss, ein Mysterium. Alles was es gibt, ist JETZT. „Now. HERE. This.“, um es mit den Worten von Joseph Gordon Levitt zu sagen („Mr. Cormann“ ist ne Superserie übrigens, kann ich nur empfehlen).
Vor lauter Grübelei habe ich gar nicht gemerkt, dass ich jederzeit mitten in einer Meditation stecke, wenn ich in diesem Jetzt verankert bleibe, vielleicht mal tief durchatme, mich an mein Baby kuschle und selber schon bald den Schlaf der Gerechten schlafe.